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Konsenspapier vom 17.12.1999

Das sächsische „Bündnis Gesundheit” hat aus vielen allgemein diskutierten Gründen, die nachfolgend nicht nochmals ausgebreitet werden sollen, das Gesundheitsstrukturgesetz 2000 in weiten Teilen abgelehnt. Unzweifelhaft ist jedoch, dass erheblicher Reformbedarf besteht, weil durch die Verteuerung und Verbesserung medizinischer Leistungen, vor allem medizin-technischer und pharmakotherapeutischer Leistungen, durch eine Veränderung der Morbiditätsstruktur, bedingt u. a. durch die Erhöhung des Durchschnittslebensalters der Bevölkerung, durch Zunahme an Leistungsansprüchen einer aufgeklärten Bevölkerung eine Schere von Kostenanstieg einerseits und Reduzierung der Finanzzuflüsse ins System andererseits zu verzeichnen ist.

Unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen der Gegenwart und der berechenbaren mittelfristigen Zeiträume sprechen aber auch andere Aspekte für eine durchaus zeitgemäße Reform.

Die Emanzipation der Bevölkerung hinsichtlich der Einsicht in gesundheitliche Risiken, präventiver Verhaltensstile und gesundheitlicher Eigenverantwortung, insbesondere auch die Sensibilität dafür, was eine vernünftigerweise forderbare Basisleistung ist und was in den Bereich eines mitteleuropäisch gehobenen-luxuriösen Standards an gesundheitlicher Versorgung gehört, ist deutlich angewachsen. Weiterhin lässt der allgemeine Lebensstandard heute durchaus zu, die Selbstbeteiligung zu erhöhen. Unsere Solidarsysteme stammen im wesentlichen aus Zeiten, in denen große Schichten der Bevölkerung unterprivilegiert und gesundheitlich dadurch gefährdet waren.

Aus derartigen Erwägungen werden folgende Prämissen und Vorschläge für Reformen von den im Sächsischen Bündnis Gesundheit 2000 vertretenen Gruppen als konsensfähig angesehen:

Die 6 Reformziele:

  1. Beibehaltung des Solidarprinzips, aber Neustrukturierung
  2. Zugang zum Versorgungssystem für alle
  3. Optimale medizinische Versorgung unter Nutzung des medizinischen Fortschritts und unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit
  4. Einheitliche Grundsätze für die Krankenversicherungen
  5. Selbstbestimmung der Versicherten
  6. Neufassung der Vergütungssysteme

 

1. Beibehaltung des Solidarprinzips, aber Neustrukturierung
  Verbreiterung der Basis der Solidargemeinschaft durch:
Abkopplung der Beiträge für die Krankenversicherungen vom Lohngefüge; Berechnung auf der Grundlage des Haushaltseinkommens der Familien
Pflicht zur Versicherung für definierte Gesundheitsrisiken
Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus allen Krankenversicherungen
Härtefallregelungen als notwendiger Bestandteil der Solidargemeinschaft

 

2. Zugang zum Versorgungssystem für alle

Es wird ein System mit einer Verpflichtung zur Basisversicherung und –versorgung sowie einer Eigenbeteiligung der Patienten vorgeschlagen. Der Leistungskatalog der Basisversorgung wird durch den Gesetzgeber festgelegt.

  Basisversorgung:
eine Basisversicherung für alle Bürger als Prinzip der Solidargemeinschaft
Abdeckung der Grundversorgung
   
  Finanzielle Mitbeteiligung der Versicherten:
Einführung einer finanziellen Mitverantwortung der Versicherten bei Leistungen, die über die Basisversorgung hinaus gehen
   
  Selbstbeteiligung der Versicherten
Leistungen, die direkt selbst zu übernehmen sind; u. a.:
Außenseitermethoden, psychosoziale Beratungen, kosmetische Operationen, Mehrleistungen in der Zahnmedizin (z. B. bei Füllungstherapien und bei Zahnersatz)
Zuzahlung bei:
  Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln
  direkter Inanspruchnahme eines Facharztes unter Umgehung der hausärztlichen Koordinierung (außer Notfallsituationen)
  Krankenhausbehandlungen
  Zahnersatz

 

3. Optimale medizinische Versorgung unter Nutzung des medizinischen Fortschritts und unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit
Qualitätsförderung durch Erarbeitung von Leitlinien unter Einbeziehung aller Gesundheitsberufe
ambulante Versorgung: Hausarztprinzip heißt Koordinierung aller medizinischen Maßnahmen durch den Hausarzt, Information über alle medizinischen Maßnahmen an den Hausarzt
stationäre Versorgung: Sicherung einer bedarfsgerechten, flächendeckenden und abgestuften Krankenhausversorgung
Vernetzung der ambulanten und stationären Versorgung durch Aufbau von Informations- und Kommunikationssystemen zwischen allen Beteiligten (Telematik)
wirtschaftliche Arzneimittelversorgung auf der Basis medizinischer Leitlinien
präventive Maßnahmen im Rahmen der Basisversorgung auf wissenschaftlicher Grundlage (Screeninguntersuchung)
indikationsgerechte Rehabilitation unter Kontrolle des individuellen Rehabilitationszieles

 

4. Einheitliche Grundsätze für die Krankenversicherungen
Entwicklung eines kassenübergreifenden Kataloges medizinisch notwendiger Leistungen für die Basisversorgung
bei den Zusatzleistungen treten die verschiedenen Krankenversicherungen in freien Wettbewerb

 

5. Selbstbestimmung der Versicherten
freie Wahl von Krankenversicherungen und freie Arztwahl in den jeweiligen Stufen des Kooperationssystems Hausarzt-Spezialist-Krankenhaus
Information über Basisversorgungskatalog für jeden Versicherten
Aufbau von Versicherteninformationssystemen unter Einbeziehung von
  Hausarzt
  Selbsthilfegruppen
  Patientenberatungsstellen bei den Selbstverwaltungsorganen der Leistungserbringer

 

6. Neufassung der Vergütungssysteme
einheitliche Vergütung in Ost und West für alle Leistungserbringer
neue Bundesärztegebührenordnung ersetzt die bisherige GOÄ- und EBM-Liste
eine neue Bundeszahnärztegebührenordnung auf der Basis einer einheitlichen Leistungsbeschreibung
Finanzierung der medizinischen Leistungen in DM-Beträgen unabhängig von den Einnahmen der Krankenversicherungen
leistungsgerechte Vergütung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten (keine Einzelleistungsvergütung)
Leistungen, die über die Basisversorgung hinausgehen, unterliegen nicht der Regulierung von Staat und Krankenkassen

Die Teilnehmer des Sächsischen Aktionsbündnisses Gesundheit 2000 sehen ihren Zusammenschluss nicht nur in der strikten Ablehnung des Gesundheitsstrukturgesetzes und des Reform-Torsos der Rot-Grünen Koalition an, sondern sie erarbeiteten ein Konsenspapier mit Reformgedanken als Gesprächsgrundlage mit Vertretern der Politik.

Es werden Wege zum Erhalt eines leistungsfähigen Gesundheitssystems unter Wahrung des Solidaritätsgedankens „Gesunde für Kranke, Junge für Alte, sozial Starke für sozial Schwache” aufgezeigt und die Eigenverantwortung des Patienten unterstützt.

 

Für das Sächsische Bündnis Gesundheit 2000

Dr. med. Gisela Trübsbach

Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze
Präsident der Sächsischen Landesärztekammer

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Letzte Aktualisierung: 17.12.1999 zum Seitenanfang    Druckversion    
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